Es macht Sinn, sich mit dem Sinn zu beschäftigen

 

In meiner langjährigen Praxistätigkeit hat sich gezeigt, dass entstandene Krankheiten nicht unabhängig von den Lebensumständen und Prägungen des Einzelnen zu betrachten sind. Wie schon im Abschnitt Lebenspflege beschrieben, liegt oftmals ein allzu sorgloser Umgang mit den eigenen Ressourcen zugrunde, der in Verbindung mit den persönlichen Glaubenssätzen und dem Druck unserer Zeit, zu körperlicher und mentaler Erschöpfung führt.


Meist spüren wir schon lange, dass uns alles zu viel wird oder schlichtweg irgendetwas nicht stimmt, doch wir können es nicht einordnen, nicht überdenken oder integrieren und machen einfach weiter, bis das körperliche System oder die psychische Stabilität streikt.


Grundlage der Chinesischen Medizin ist eine Philosophie, wie wir sie im Yì Jīng (dem Buch der Wandlungen) oder auch bei Lǎozǐ und anderen finden. Hier steht das Dào im Mittelpunkt der Lebensbetrachtung. Wörtlich bedeutet es „Weg“, „Straße“ oder „Pfad“, aber auch „der rechte Weg“, wie es im Konfuzianismus verwendet wird. Philosophisch gesehen sind dies allerdings nur Annäherungen an die wahre Bedeutung des Dào, welches Lǎozǐ im Dàodéjīng  als eine Art von transzendenter höchster Wirklichkeit und Wahrheit beschreibt.


Das Dào ist ein allumfassendes Prinzip, an dem alles Wesen und Dinge teilhaben, doch auch jeder Mensch hat sein eigenes Dào, seinen eigenen Weg, mit seinen individuellen Wandlungen und Entwicklungen. Das Leben hat seinen eigenen einmaligen Fluss. Ihm mit weichem Wollen zu folgen birgt das Geheimnis von Ausgeglichenheit und Stabilität. Das Dáo bewirkt eine natürliche Ordnung der Dinge und seine Wandlungen sind zyklisch. Es ist das Schlüsselprinzip der Chinesischen Medizin, aber auch anderer Disziplinen wie der Kampfkunst, Kalligrafie oder Fēng Shuǐ.


Mit sich selbst und der Welt in Harmonie zu leben ist auch unsere Vorstellung von psychischer Gesundheit und Lebensfreude. Der Weg dorthin ist unterschiedlich, denn nicht im Außen muss alles stimmen, damit man in Harmonie mit sich selbst kommen kann, sondern im Innen.



Wúwéi  ( = Nichthandeln)

Enthaltung eines gegen die Natur gerichteten Handelns


Wú-Wéi ist keine Methode, sondern die Idee einer inneren Haltung zum Leben, die über lange Zeit hinweg entwickelt werden muss, will man sich voll und ganz nach ihr richten. Aber auch die ersten Schritte sind sehr hilfreich und man kann sie mit Leichtigkeit gehen.


Wú-Wéi heißt etwa, dem Hund nicht hinterherzurennen, sondern in die andere Richtung wegzugehen, damit er einem folgt. Es meint, die Staude im Garten nicht zu pflanzen, wenn man gerade Zeit hat, sondern dann, wenn die Witterung günstig dazu und das Gewächs dafür im richtigen Stadium ist. Es kann auch heißen, dann zu essen, wenn man hungrig ist, und nicht, wenn gerade etwas da liegt.


Vor allem aber bedeutet es, im eigenen Fluss zu bleiben und nicht, durch Pläne und Konzepte beeinflusst, etwas durchzusetzen, für das die Zeit oder der Mensch (noch) nicht bereit sind.


Loslassen und durchatmen, die Aufmerksamkeit auf sich und den Augenblick lenken und Probleme aus einer anderen Perspektive zu betrachten führt zu ganz erstaunlichen Resultaten im Umgang mit Schwierigkeiten, Problemen und dem Leben selbst.


In meiner Praxis begleite ich Menschen durch Krankheitsprozesse, aber oftmals auch durch schwierige Situationen, Lebenskrisen und Erschöpfung. Dabei ist es wichtig eine Grundlage zu schaffen, um das Vertrauen in den Fluss des Lebens und sich selbst (wieder) aufzubauen. Nur so können Selbstheilungskräfte arbeiten und eine neue Lebensqualität entstehen.


„Abgucken hilft nicht“ habe ich vor vielen Jahren mal auf einer Postkarte gelesen. Und so geht es hierbei, wie in der gesamten Chinesischen Medizin, um einen persönlichen Ansatz, der nicht nur das Verhalten in verschiedenen Lebenssituationen, sondern auch die Basis dessen ins Auge fasst.

Yì Jīng (易經 / 易经)

Das Buch der Wandlungen


Oftmals als Orakelbuch missverstanden, birgt das Yì Jīng einen reichen Schatz an Hinweisen auf die Wandlungen des Lebens und das richtige Verhalten in bestimmten Situationen. Als ältester der klassischen chinesischen Texte ist es daher wohl eher als Weisheitsbuch zu verstehen und auch als solches zu nutzen.


„Seine Basis bilden die beiden Urkräfte von Yin und Yang, durch deren Vermischung die acht Trigramme oder dynamischen Grundbedingungen entstehen, welche die 64 Hexagramme bilden. Sie sind ein Erklärungsmuster aller Erscheinungen, Wahrnehmungen, Ereignisse, Umstände und Muster, die wir als „Leben in Bewegung“ bezeichnen. Das Yi Jing zeigt sie als zeitlos gültige Wahrheit, die auf Wandlung beruht. Es gewährt uns Einblicke in die innere Welt der Person und schafft damit Klarheit im Blick auf die Welt und das Gegenüber – auf unvergleichlich tiefe Art und Weise.“ (René van Osten)


In Therapie und Beratung ist das Yì Jīng ein sehr wertvoller Begleiter. Es fördert die Ressourcen, die in den Menschen natürlich vorhanden sind, und lässt sie zur vollen Geltung kommen, ohne dogmatisch zu sein oder zu bewerten. Dabei führt es zu Klarheit und damit zurück zum Wesentlichen.


Menschen, die nach Rat suchend in meine Praxis kommen oder aufgrund ihrer körperlichen Probleme keine Perspektiven mehr sehen, können in Einzelberatungen oftmals eine andere Sichtweise auf die vermeintlichen Probleme bekommen oder auch die möglichen Entwicklungschancen darin finden. So manche, vorher als unlösbar eingestuften Probleme, zeigen sich hier in einem ganz neuen Licht.


In Kombination mit Akupunktur kann sich der Geist befreien, Stagnationen werden gelöst und im besten Fall kann auf Dauer ein neuer und stabilerer Zustand des Lebens erreicht werden.


Diese „höhere Schule der Lebenspflege“ biete ich in meiner Praxis nicht explizit an. Vielmehr ergibt sie sich mit den Menschen, die bereit sind, sich selbst und das Leben ohne irgendeine Bewertung und in aller Ruhe zu hinterfragen.

 
 
 
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